Accords nouveaux

François-Pierre Goy & Andreas Schlegel

Saiten (A. Schlegel)

Folie12

 

So wie bei einem Rennauto die drei Komponenten
Chassis (mit Motor), Reifen und Fahrer
aufeinander abgestimmt sein müssen,

müssen beim Zupfinstrument
das Instrument, die Saiten und die Spieltechnik
eine Einheit bilden.

 

Merkwürdigerweise sind die Themen Saiten und die Verbindung zwischen Besaitung und Spieltechnik bisher nur sehr selten im Fokus gestanden.
Dies soll auf dieser Seite geändert werden. Folgende Punkte, die für die Entwicklung der Besaitung und des Instrumentenbaus von Bedeutug sind, werden hier dargestellt:

  1. Grundlegende ikonographische Quellen zu historischem Saitenmaterial (IK)
  2. erhaltene Instrumente mit Innovationen (IN)
  3. Musikquellen, die im zusammenhang mit der Besaitungsfrage relevante Aussagen zulassen (QU-dr für Drucke, QU-ms für Manuskripte)
  4. Textquellen mit Überlegungen zu Saiten seitens Theoretker / Tabellen (TE)
  5. Hinweise zum Instrumentarium und dessen Nutzung (z.B. Veränderungen bei der Stimmung, Bauweise, Fuktion etc.) (ORG)
  6. Quellen zur Disposition der Besaitung der verschiedenen Instrumententypen (z.B.: Welche Chöre verfügen über eine Oktavsaite, welche Chöre sind doppelt bzw. einfach besaitet?)
  7. Überlegungen zum Verhältnis zwischen historischer Spieltechnik, Saitenmaterial und Instrument
  8. Literatur zur Saitenfrage

Eine chronologische Einordnung soll bei der Orientierung helfen. Es werden die bei Punkten 1-4 angegebenen Quellentypen abgekürzt angegeben. Zuerst aber ein Kurzüberblick über die verwendeten Materialien auf Zupfinstrumenten:

Darm

Seide

Metall: Stahl, Messing, Bronze

Kunststoffsaiten: Nylon (Polyamid), Nylgut, Carbon (PVDF)

Die Sammlung aller relevanter Angaben kann nicht von einer einzigen Person bewältigt werden. Deshalb bin ich dankbar für jede Ergänzung / Korrektur!

Chronologie für Darmsaiten:

Jahr Typ Text
1490 ca. QU-ms  Der von den Saiten verlangte Ambitus beträgt zwei Oktaven und eine Quarte (29 Halbtöne = 29 HT). Quelle: Pesaro-Manuskript (I-PESo Ms. 1144) mit Stücken für 7-chörige Laute in Stimmung ffeff [f].
1511 QU-dr  Sebastian Virdung erwähnt in seinem Druck Musica getutscht die 7-chörige Laute.
1532 QU-dr  Hans Gerle druckt in seinem Buch Musica Teusch drei Stücke für 7-chörige Laute ab, bei denen der 7. Chor eine Quarte unter dem 6. Chor steht ffeff [f] = 29 HT.
1565 QU-dr  Valentin Bakfark verlangt in seinem Druck Harmoniarum musicarum vereinzelt einen 7. Chor, der eine Sekunde unter dem 6. Chor steht: ffeff [c] = 26 HT.
1574 QU-dr  Melchior Newsidler verlangt im Teütsch Lautenbuch einen 7. Chor, der eine Sekunde unter dem 6. Chor steht: ffeff [c] = 26 HT.
1582 QU-dr  Bernhard Jobin druckt in Straßburg die Novae Tabulae Musicae Testudinariae Hexachordae et Heptachordae des Paduaners Giulio Cesare Barbetta, in welchem der 7. Chor eine Quarte tiefer als der sechste steht: ffeff [f] =29 HT.
1590 ca. IN  Beginn mit Experimenten zur Mensurverlängerung für Bässe. Ab hier wird petit jeu (greifbare Saiten, die über das Griffbrett laufen) und grand jeu (frei schwingende Bass-Saiten) unterschieden. Durch de Mensurverlängerung wird der Ambitus, der dem Saitenmaterial abverlangt wird, geringer oder maximal gleich (bei der 14-chörigen Tiorba: 16 HT; bei der 14-chörigen Liuto attiorbato: 31 HT). Siehe "Nutzungskonzepte für Zupfinstrumente" ganz unten.
1598 QU-dr  In Leipzig druckt Matthäus Reymann die Noctes musicae, die eine 8-chörige Laute verlangen mit dem 7. Chor eine Quarte, dem 8. Chor eine Quinte unter dem sechsten: ffeff [fh] = 31 HT.
1600 ORG   Mit Francisques Druck beginnt die Phase, in denen Bücher Stücke für 9 bis 11 Chöre notieren. In den meisten Stücken werden aber nicht alle Chöre verwendet, so dass für die meisten Stücke ein Adaptieren auf ein Instrument mit weniger Chören möglich ist. Bis der neue Standard-Typ der 11-chörigen Barocklaute etabliert ist, existieren verschiedene Lautentypen nebeneinander: mit nur einem petit jeu (französischer Standard-Typ), aber auch mit unterschiedlichen Ausformungen des grand jeu (Laute mit Doppelwirbelkasten, flämische Theorbe etc.).
Hinzu kommt die immer deutlicher werdende Spezialisierung der Funktionen Solo- und Continuo-Instrument. Continuo-Instrumente werden von der Mensur des petit jeu her betrachtet möglichst nahe am Reisspunkt konzipiert, um Schärfe und grösstmögliche Lautstärke zu erreichen. Solo-Instrumente werden so konzipiert, dass mindestens ein Halbton Abstand zur Reissgrenze bleibt. Dies wird bei den vielen Umstimmereien in der Zeit der Accords nouveaux und später beim Nouvel accord ordinaire deutlich, von dem es auch eine Dur-Variante gibt, für die die Chanterelle einen Halbton hochgestimmt werden muss.
1600 QU-dr  Antoine Francisques Le trésor d‘Orphée für 7- bis 9-chörige Laute mit total 71 Stücken in Paris gedruckt:
7-ch: ffeff [c] = 26 HT 5 St.
8-ch: ffeff [ce] = 28 HT 1 St.
8-ch: ffeff [cf] = 29 HT 5 St.
8-ch: ffeff [-f] = 29 HT 3 St. (nur 7 Chöre benutzt)
9-ch: fefhd [cek] = 33 HT 6 Stk.
9-ch: ffeff [--h] = 31 HT 6 St. (nur 7 Chöre benutzt)
9-ch: ffeff [cdh] = 31 HT 1 St. 
9-ch: ffeff [ceh] = 31 HT 4 St.
9-ch: ffeff [cfh] = 31 HT 6 St.
9-ch: ffeff [c-h] = 31 HT 25 St. (nur 8 Chöre benutzt)
9-ch: ffeff [c-k] = 33 HT 7 St. (nur 8 Chöre benutzt)
9-ch: ffeff [-fh] = 31 HT 2 St. (nur 8 Chöre benutzt)
9 Chöre werden also nur in 17 von 71 Stücken vorausgesetzt.
1611 QU-dr Hieronymus Kapsbergers Libro primo d‘intavolatura di lauto für die 6- bis 11-chörige Laute mit 32 Stücken in Rom gedruckt.
6-ch: ffeff = 24 HT in 1 St.
7-ch: ffeff [c] = 26 HT in 16 St.
7-ch: ffeff [f] = 29 HT in 1 St.
8-ch: ffeff [ce] = 28 HT in 1 St.
10-ch: ffeff [cefh] = 31 HT in 1 St.
10-ch: ffeff [---h] = 31 HT in 1 St. (nur 7 Chöre benutzt)
10-ch: ffeff [c--h] = 31 HT in 2 St. (nur 8 Chöre benutzt)
10-ch: ffeff [c-fk] = 33 HT in 1 St. (nur 9 Chöre benutzt)
10-ch: ffeff [cd-h] = 31 HT in 2 St. (nur 9 Chöre benutzt)
10-ch: ffeff [ce-h] = 31 HT in 5 St. (nur 9 Chöre benutzt)
11-ch: ffeff [c--hk] = 33 HT in 1 St. (nur 9 Chöre benutzt)
10 bzw. 11 Chöre werden also nie vorausgesetzt, aber notiert.
1612 QU-dr Robert Ballard: Premier livre de tablature de luth für die 6- bis 10-chörige Laute mit 75 Stücken in Paris gedruckt:
6-ch: ffeff = 24 HT 1 St.,
7-ch: ffeff [c] = 26 HT 11 St.
8-ch: ffeff [ce] = 28 HT 3 St.
8-ch: ffeff [-e] = 28 HT 1 St. (nur 7 Chöre benutzt)
9-ch: ffeff [cef] = 29 HT 2 St.
10-ch: ffeff [cdfh] = 31 HT 3 St.
10-ch: ffeff [cefh] = 31 HT 7 St.
10-ch: ffeff [---h] = 31 HT 1 St. (nur 7 Chöre benutzt)
10-ch: ffeff [c--h] = 31 HT 13 St. (nur 7 Chöre benutzt)
10-ch: ffeff [cd-h] = 31 HT 7 St. (nur 9 Chöre benutzt)
10-ch: ffeff [ce-h] = 31 HT 19 St. (nur 9 Chöre benutzt)
10-ch: ffeff [ce-k] = 33 HT 5 St. (nur 9 Chöre benutzt)
10 Chöre werden also nur in 10 von 75 Stücken vorausgesetzt.
1622 ORG Mit dem in Paris geschriebenen CH-BEa Ms. HA Spiez 123 sind Umstimmungen der ersten 3 Chöre zu "Accords nouveaux" erstmals nachgewiesen. Accords nouveaux werden bis ca. 1710 verwendet, haben aber ihre Blüte von 1622 bis c. 1650, bevor sich der "Nouvel accord ordinaire" dfedf als allgemein akzeptierte Stimmung für die Barocklaute durchsetzt. Die Zeitspanne von über einem Generationenalter kann nicht als "Übergangszeit" angesehen werden, sondern ist als eigenständige, wenn auch kurze Phaseanzusehen. Deshalb zeugt der Begriff "transitional tunings" für ein unsensibles und mit einer nur aus der Rückschau zu erklärenden Zeitverkürzung arbeitendes Geschichtsverständnis.
1636 TE Marin Mersenne stelt in seiner Harmonie Universelle die "Mersennschen Gesetze" zur Berechnung von Saiten auf und berichtet detailliert über "equal tension" und Proportionalität bei der Besaitung (analog zu den Proportionen der Intervalle).
1640-42 ORG
QU-ms
Erste Stücke für 11-chörige Barocklaute im Nouvel accord ordinaire dfedf [cefhk] = 29 HT. Diese finden sich in CH-Zz Q 907, einem in Paris für Schweizer Söldner entstandenen Lautenbüchlein. Die Tonhöhe und somit die konkreten Notennamen korellieren mit der Grösse des Instrumentes und variieren entsprechend. Meist wird nominell von f' d' a f d A G F E D C ausgegangen, was zur irreführenden Bezeichnung "d-Moll-Stimmung" geführt hat. Die Stimmung ist aber relativ und nicht absolut zu verstehen.
1659 TE Samuel Hartlib erwähnt in den Ephemerides umsponnene Saiten.
1664 TE John Playford macht ein "Advertisement" für auf Darm- oder Seidenkern umsponnene Saiten in: An Introduction to the Skill of Musick.
1676 TE Thomas Mace erwähnt in seinem Musick‘s Monument umsponnene Saiten nicht.
1680   Claude Perrault: Essais de Physique, ou receuil de plusieurs traitez touchant les choses naturelles, Tome II, Paris (Coignard), 1680, S. 156-157, beschreibt umsponnene Saiten als Klangverstärkung.
1700 ca. TE James Talbot (GB-Och Music MS 1187) schreibt, dass für Laute, Violine und Bassgambe die gewöhnliche Darmsaite (Lyons) und die „deep dark red“ Pistoys verwendet würden und erwähnt die umsponnenen Saiten nicht.
1711/12 IK Jan Kupetzky portraitiert den Maler David Hoyer beim Lautenspiel, wobei die Laute eine silberne Bass-Saite im 11. Chor hat.
1715 TE Amaranthes [Gottlieb Siegmund Corvinius] beschreibt in Nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer-Lexicon (Leipzig), Spalte 1138, Artikel "Laute": "mit vielen Saiten von Därmen, so zuweilen mit Silberdrat besponnen" 
1718/19 QU-ms Weiss schreibt am 11. Januar 1719 das erste Stück für Barocklaute, das 13 Chöre verlangt: dfedf [cefhkln] = 32 HT. Die Erweiterung wird mittels einem Bassreiter bewerkstelligt, der die zwei zusätzlichen Chöre aufnimmt. Bei manchen Umbauten wird der Steg ersetzt, bei anderen nur ein Zusatzteil an den bestehenden Steg angesetzt.
1727 ORG Die frühesten 13-chörigen Barocklauten mit Schwanenhals: Martin Voigt und Johann Christian Hoffmann.
1729 TE B-Bc Ms. Littera S, No. 5615: François Le Cocq erwähnt im Recueil des pièces de guitarre, im Kapitel Des Chordes (ohne Paginierung) demi-filé-Saiten.
1730 ca. ORG Neben den nach Konvention so nahe wie möglich am Reisspunkt gebauten Mandoren mit Mensuren von 78,4 bis ca. 73 cm tauchen Mandoren auf, die Mensuren von nur 57 bis 63,1 cm aufweisen. Offenbar wurden diese Instrumente ebenfalls in e' gestimmt, so dass hier ein grosser Abstand zur Reissgrenze entsteht. Somit werden dickere und dadurch grundtöniger klingende Saiten verwendet. Es entsteht eine neue Klangästhetik.
1761 ca. TE Merchi besaitet die bis anhin in Doppelchören besaitete Gitarre neu mit Einzelsaiten, während die Mandora weiterhin lautenmässig mit 1x1 + 5x2 (und ev. 7. bis 9. Chor) disponiert bleibt.
1780 ca. ORG TE Mareschall lanciert die Lyre-guitare, das erste Instrument mit 6 Einzelsaiten in der Gitarrenstimmung e' h g d A E, wobei die tiefsten drei (ev. manchmal auch nur zwei) Saiten umsponnen sind.
Die Gitarre bleibt bis gegen 1800 5-saitig oder 5-chörig. Danach setzt sich die 6-saitige Gitarre mit drei umsponnenen Bass-Saiten durch.
1793 IN Giuseppe Filano baut in Neapel die früheste bekannte als 6-Saiter konzipierte datierte 6-saitige Gitarre. Dies legen die Halsbreite und der offenbar originale Steg nahe.
Viele ursprünglich 5-saitige Gitarren aus dieser Zeit werden um 1800 zu 6-saitigen Instrumenten umgebaut. Auch werden Mandoren und noch ältere Lauten mehr und mehr gitarrisiert.

 

Chronologie für Metallsaiten:

1361 TE In Augsburg sollen Drähte für Musiksaiten gezogen worden sein. Quelle?
  TE  
     
1636       TE     Marin Mersenne stelt in seiner Harmonie Universelle die "Mersennschen Gesetze" zur Berechnung von Saiten auf und berichtet detailliert über die Durchmesser von Metallsaiten und die Mensurierung von Tasteninstrumenten.
1731 IN Frühestes bekanntes Metallsaiten-Instrument mit einer geknickten Decke: Mandolone von Gaspar Ferrari, Rom (Rom, Academia Nazionale di Santa Cecilie, Inv. n. 104).
1750 ORG  Viele ältere Barockgitarren werden zu Chitarre battente umgebaut und hierfür der Hals eingekürzt, die alte (oder neue Ersatz-Decke) Decke geknickt und eine unterständige Saitenbefestigung montiert.
1751/52 IN Das Knicken der Decke wird auf die 4-chörige Mandoline übertragen, wodurch die Neapolitanische Mandoline entsteht (Antonius Galeota 1751 / Vinaccia Filius Januarii 1752). Bis zur Einführung der hochreissfesten Stahlsaiten um 1830 bleibt der erste Chor in Darm.
18. Jh. TE Fuchs in Nürnbergstellt Klaviersaiten her. Quelle?
1820 ca. TE Ein Berliner Hersteller soll Fuchs als Klaviersaitenhersteller verdrängt haben. Quelle?
1834 TE Webster & Horsfall bringen Gussstahl-Saiten auf den Markt.
1840 TE Martin Müller aus Wien wird führender Saitenhersteller. Quelle?
1855 TE Moritz Poehlmann beginnt seine Klaviersaitenproduktion und wird bis Ende des 19. Jahrhunderts der führende Hersteller aufgrund der extremen Reissfestigkeit seiner Saiten.
1869 TE Die Gebrüder Bongardt gründen das spätere Stahl- und Drahtwerk Röslau, das bis heute als SDW Röslau GmbH tätig ist.

 

 

1. Grundlegende ikonographische Quellen zu historischem Saitenmaterial

 

 

2. Textquellen zu Überlegungen zu Saiten seitens Theoretker

 

 

3. Organologische Hinweise zur Besaitung

 

 

4. Quellen zur Disposition der Besaitung der verschiedenen Instrumententypen

Dispositions-Angabe:
Für die Angabe, wie die Saiten auf einem Instrument angeordnet sind, existieren schon lange Systeme zur Angabe der Disposition, z.B.
2x1 + 5x2 = 66,0 cm / 4x2 = 95,5 cm
(Laute von Pietro Railich, Padua 1669, 1720 von Johann Anton Fichtl in Wien zur 11-chörigen "Austrian 11-course theorboed lute" "zu gericht" [New York, Metropolitan Museum of Art, USA, 2008.3]. Abgebildet in der "extant-lute-database" und in: Schlegel, Andreas & Joachim Lüdtke: Die Laute in Europa 2, Menziken 2011, S. 147.)
Diese Angabe sagt aus, dass
im petit jeu (greifbare Saiten, die über das Griffbrett laufen) vom 1. Chor her gesehen zwei Einzelsaiten und danach 5 Doppelsaiten (also gesamthaft 7 Chöre) mit einer Mensur von 66,0 cm und
im grand jeu (frei schwingende Bass-Saiten) 4 Doppelchöre mit einer Mensur von 95,5 cm vorhanden sind.
Diese Angaben können eingangs um die Gesamtzahl der Chöre ergänzt werden, z.B.: 11: 2x1 + 5x2 = 60,8 cm / 4x2 = 81,8-82,2 cm.
Vom Wirbelkasten kann die Anzahl Wirbel abgelesen werden, vom Steg die Anzahl Saiten und die Einteilung in Chöre. Es gibt bei historischen Lauten eigentlich nie mehr Wirbel als die im Steg gebohrten Löcher. Einzge mir bekannte Ausnahme ist die grosse Schelle-Theorbe von 1728, bei welcher im petit jeu 14 Wirbel, im grand jeu 8 Wirbel vorhanden sind, die Stegbohrung aber eine Disposition von 1x1 + 6x2 + 7x1 vorsieht. Offenbar konnte der 7. Chor wahlweise dem petit oder grand jeu zugeordnet werden. In solchen Fällen kann die Dispositionsangabe lauten: 14: 1x1 + 6x2 = 88,0 cm / 7 (8) x 1 = 160,0 cm.

Erweiterung der Dispositions-Angabe mit Differenzierung der Chöre
Nun kann bei vielen Lauten aufgrund der Durchmesser der Bohrlöcher im Steg eine Aussage gemacht werden, wo die dickere Bass-Saite und wo die im Prinzip halb so dünne Oktavsaite montiert werden sollte. Natürlich wird die Disposition auch auf vielen Bildern erkennbar, so dass man den jeweiligen Lautentypen bestimmte Saitenordnungen zuweisen kann.
Bei Lauten gilt generell, dass der Bass auf der zuerst anschlagenden Daumen-Seite montiert wird, während bei Barockgitarren – falls überhaup oktavierende Chöre benutzt werden – bis gegen 1770 die Oktavsaite auf der zuerst anschlagenden Daumen-Seite montiert wird; ab ca. 1770 wird die Besaitung umgedreht, so dass der Bass auf der zuerst anschlagenden Daumen-Seite montiert wird. Hierfür gibt es nur ikonographische und Text-Hinweise.
Nun schlage ich vor, dass deshalb die Doppelchöre differenziert notiert werden: gleich gestimmte Saiten sind mit einem "e" für "equal", oktavierte Chöre mit "o" für "octave" markiert.
Dadurch können Standardbesaitungen für die verschiedenen Instrumententypen genauer beschrieben werden.

6-chörige Laute:
Disposition 6: 1x1 + 2x2e + 3x2o
Dies ist die normale Disposition spätestens ab 1523 (Judenkünig, Lagenzeichen i iij).

7-chörige Laute:
Disposition 7: 1x1 + 2x2e + 4x2o
Der 7. Chor der frühen 7-chörige Laute (ca. 1490 bis mindestens 1565) war sicherlich mit einer Oktavsaite versehen – auch wenn wir kein direktes Zeugnis dafür haben.
Wann der 4., 5. und ev. 6. Chor unisono besaitet wurde (statt wie früher mit Oktavsaiten), ist noch kaum untersucht.

8-chörige Laute:
Disposition 8: 1x1 + 2x2e + 5x2o

9-chörige Laute:
Disposition 9: 1x1 + 2x2e + x2o

10-chörige Laute:
Disposition 10: 1x1 + 4x2e + 5x2o

11-chörige Laute:
Disposition 11: 1x1 + 4x2e + 6x2o

Austrian 11-course theorboed lute:
Disposition 11: 2x1 + 3x2e + 2x2o / 4x2o

13-chörige Barocklaute mit Bassreiter:
Disposition 13: 2x1 + 3x2e + 6x2o / 2x2o

13-chörige Barocklaute mit Schwanenhals:
Disposition 13: 2x1 + 3x2e + 3x2o / 5x2o

Tiorba:
Disposition 11: 5x2e + 4x2o / 2x2o
Dies ist der frühe Typ, der aus der Basslaute hervorging und mit einer kleinen Theorbierung versehen wurde (z.B. Saraceni).

Disposition 14: 6x2e / 8x1
Dies ist die Normalbesaitung bei ca. 2/3 der erhaltenen "normal" grossen Tiorbe, bei der das petit jeu ca. 87 cm und grösser (bis knapp 100 cm) ist.
Es ist keine Tiorba mit mehr als 6 Doppelchören auf dem Griffbrett bekannt (ausser den wenigen Instrumenten, die wohl zu einer Deutschen Theorbe modifiziert wurden).

Disposition 14: 6x1 / 8x1
Etwa ein Drittel der historischen Tiorben haben Einzelsaiten auch im petit jeu.

Disposition 19: 6x2e / 13x1


Disposition 14: 6x2e / 8x1

Deutsche Theorbe:
Disposition 14: Es sind bisher nur vier Instrumente bekannt, die als Deutsche Theorben in Frage kommen und diese weisen unterschiedliche Dispositionen auf:
„1613 IN PADOVA Vvendelio Venere“. Umbauten „Sebastian Schelle, Lauten und Gei-/genmacher in Nürnberg, / zugericht A. 1723: 1726“: 6x2 = 85,5 cm + 4x1 = 108 cm + 4x1 = 121 cm
„Sebastian Schelle, Lauten und Gei-/genmacher in Nürnberg, A. 1728“: 1x1 + 6x2 = 88 cm / 7x1 = ca. 160 cm
„GIOVANNI TESLER IN ANCONA 1615“. Umbauten „Thomas EDLinger zue gericht 1715“: 2x1, 5x2 = ca. 87 cm / 7x1 = ca. 160 cm
„Christoph Koch zu dem Güldenen Adtler// in Venedig Jul. 1650“: 7x2 = 82,7 / 7x1 = 167,5 cm

14-chöriger Arciliuto:
Disposition 14: 1x1 + 4x2e + 1x2o / 8x1
Es ist kein Arciliuto mit mehr als 6 Doppelchören auf dem Griffbrett bekannt.

Mandora:
Disposition 6: 1x1 + 2x2e + 3x2o

Disposition 6: 1x1 + 2x2e + 3x2o

Galizona:
Disposition 6: 6x1
Johannes Schorn 1688 (88,7 cm)
Thomas Edlinger 1728 (0der 1718?) (89,4 cm)

Disposition 6: 6x2
Gregor Ferdinand Wenger [Tiefenbrunner] 1705 (86,0 cm)

Disposition 7: 1x1 + 6x2
Heinrich Kramer 1704 (93,6 cm)

Disposition 6: 3x1 + 3x2 (fraglich)
Gregor Ferdinand Wenger 1714 (79,0 cm)

 

 

 

5. Überlegungen zum Verhältnis zwischen historischer Spieltechnik, Saitenmaterial und Instrument

 

 

6. Literatur zur Saitenfrage