Accords nouveaux

François-Pierre Goy & Andreas Schlegel

Das Manuskript Milleran (F-Pn Rés. 823, von François-Pierre Goy auf den Zeitraum zwischen 1692 und 1694 datiert [https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb42856337s]) ist ähnlich wie die Rhétorique des Dieux nach Tonarten aufgebaut. Im Gegensatz zur Rhétorique, die mit den antiken Modi arbeitet, umschreibt das Ms. Milleran das Ordnungsprinzip folgendermassen: Recueil des plus belles pieces de lut des meillleurs maitres, sur les 14 modes de la musique, savoir sept en Bemol & sept en Becare qui se marquent ordinairement ainsi, b [= bémol], & [Auflösungszeichen = bécarre].

Tonartenbezeichnungen im Inhaltsverzeichnis Fol. 3r-6r / beim jeweiligen Sektor des Buches:

C SOL UT FA BEMOL, & BECARE
/ geschmücktes Titelblatt Fol. 7r: C SOL VT FA, b & [Auflösungszeichen]

D LA RE SOL b, & [Auflösungszeichen]
/ [1. Stück in d-Moll auf Fol. 20r] ---

E MI LA ou E SI MI b, & [Auflösungszeichen]
/ Kleine Überschrift auf Fol. 34r: E MI LA. ou E SI MI || b. [Auflösungszeichen]

F UT FA b, ou dïeze, & [Auflösungszeichen], to de la chevre
/ geschmücktes Titelblatt Fol. 40r: F UT FA || ou dieze, || b, [Auflösungszeichen]

G RE SOL UT b, & [Auflösungszeichen]
/ geschmücktes Titelblatt Fol. 70r: G RE SOL || UT || b [Auflösungszeichen]

A MI LA RE b, & [Auflösungszeichen]
/ geschmücktes Titelblatt Fol. 82r, aber mit weggewischter Beschriftung. Es folgen Stücke in a-Moll, später 1. Stück in A-Dur in Stimmung dedef [bdfhl] (z.B. e' cis' a fis d A [Gis Fis E D H]) auf Fol. 104r

B FA SI b, & [Auflösungszeichen]
/ geschmücktes Titelblatt Fol. 112r: B FA SI || b [Auflösungszeichen]

Nimmt man die üblichsten Lauten-Tonarten, ergeben sich:

C-Dur / c-Moll

D-Dur / d-Moll

Es-Dur / e-Moll

F-Dur / fis-Moll

G-Dur / g-Moll

A-Dur / a-Moll

B-Dur / h-Moll

Von den im Titel erwähnten 14 Tonarten fehlen D-Dur, Es-Dur (oder E-Dur), g-Moll, B-Dur und h-Moll.

Normalerweise sollte jeder Sektor mit einem Prélude eröffnet werden, aber nur die vier fett geschriebenen Sektoren entsprechen dem Programm. Interessanterweise steht im Inhaltsverzeichnisse bei den Sektoren c-Moll, e-Moll, G-Dur, B-Dur/h-Moll "Prelude", aber ohne Seitenzahl. Im Tabulaturteil findet sich nichts.

Der Sektor für A-Dur benutzt die Skordatur dedef [bdfhl], beispielsweise vom 6. Chor in A aus gedacht: e’ cis’ a fis d A [Gis Fis E D H]. Diese Stimmung ist aus mindestens acht Quellen bekannt. 

Ähnlich wie bei der Rhétorique besteht also ein Unterschied zwischen dem theoretischen Konzept und der Ausführung. 

Interessant sind die kleinen Zahlen, die bei allen Stücken im NAO ausser zweien (SMT 18 & 19; Fol. 22v-24) vorkommen. Die Skordatur-Stücke tragen keine Zahlen. Nimmt man diese Zahlen als Seitenzahlen der Abschreibvorlage, erkennt man, dass wohl fast alle Stücke der Abschreibvorlage ins neue Buch kopiert wurden – aber eben in der neuen Ordnung nach Tonarten. Die Abschreibvorlage scheint nach pädagogischen Gesichtspunkten aufgebaut gewesen zu sein: Im ersten Sektor sind primär volkstümliche und einfach zu spielende Stücke in denjenigen Tonarten eingetragen, die kein Umstimmen der Bässe erfordern. Danach beginnen spieltechnisch anspruchsvollere Stücke und werden entferntere Tonarten gewählt, die ein Umstimmen von Bässen notwendig machen.

Hier kann das Inventar zum Ms. Milleran heruntergeladen werden.

Hier kann die Rekonstruktion der Abschreibvorlage heruntergeladen werden.